Objekt des Monats Februar: Synagoge in Hottenbach

Häufig sieht man das Haus, in dem man wohnt, als Teil von einem selbst an, frei nach dem Werbeslogan: „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“. Diese Sichtweise auf Häuser ist vermutlich in neuerer Zeit entstanden, also in einer Zeit, in der auch die Lebensdauer von Häusern nicht selten der seiner Bewohner:innen angeglichen wird. Früher war dieses Verständnis anders: In Häusern wurde über Generationen geboren, gelebt und gestorben, sie werden vererbt, umgestaltet und umgewidmet. Immer wieder kommen wir im Landesprojekt in Berührung mit solchen „Mammut-Gebäuden“, die so viel Geschichte in sich tragen, dass man als Bewohner:in demütig werden kann, weil die Grundmauern so viel an Geschichte(n) Raum boten.  

Unser Objekt des Monats Februar gehört zu dieser Art von Gebäuden. Das Backsteingebäude in der Ringstraße 45 in Hottenbach ist heute ein Wohnhaus, deren Bewohner:innen sich der kulturhistorischen Bedeutung des um 1900 erbauten Hauses sehr bewusst sind: Früher war es für viele Menschen von zentraler Bedeutung. Hier wurde gesungen, gebetet, aus der Thora vorgelesen. Hier wurde soziales Miteinander gepflegt, gelernt und im Keller fand die rituelle Waschung im Tauchbad (Mikwe) statt.

Auf einer Postkarte von 1920 wird das Gebäude noch als Synagoge des Ortes gekennzeichnet.

Bis in den 1930er Jahren beherbergte es nämlich die Synagoge von Hottenbach, Zentrum der dortigen jüdischen Gemeinde und der benachbarten in Stipshausen und Rhaunen. Nach Auflösung der Synagoge im Jahr 1927 wohnte hier kurzzeitig die jüdische Familie Braun. Zur Zeit der Reichspogromnacht im Jahre 1938 soll bereits eine deutsche Familie hier gewohnt haben, weshalb das Gebäude nicht von den Nationalsozialisten in Brand gesteckt worden war.

Das Ehepaar, das heute im Gebäude lebt, interessierte sich sehr für die Biografie ihres Hauses. Wie sah es früher aus und wie waren die Innenräume gestaltet? Diese Fragen fanden durch Recherche teilweise Antworten, jedoch konnten die alten Pläne und Fotos nur einen vagen Eindruck des einstigen Zustandes geben.

Die Eigentümerin zeigt Bilder, wie das Haus früher als Synagoge aussah und welche baulichen Veränderungen erfolgt sind. Die alten Fenster haben sich erhalten und wurden restauriert.

Das änderte sich, als Hottenbach im Jahre 2021 Modellkommune in unserem Landesprojekt wurde. Beworben hatte sich die Ortsgemeinde mit dem Thema „Landjudentum“ und im Konzept spielte die ehemalige Synagoge natürlich eine zentrale Rolle. Mit Mitteln der Anschubfinanzierung konnte eine 3D-Rekonstruktion der ehemaligen Synagoge erstellt und in einem Videoclip erfahrbar gemacht werden.

Video mit Rekonstruktion der Synagoge von Thomas Schneider von der agentur etcetera (2021)

In dieser Rekonstruktion fanden alle Informationen Verwendung, die bereits durch das engagierte kommunale Team um Ortsbürgermeister Joachim Brusius und seine Mitstreiter:innen und mit Unterstützung durch den Förderkreis Synagoge Laufersweiler e.V. erarbeitet und zusammengetragen worden war. Produziert wurde die Rekonstruktion durch Thomas Schneider von der agentur etcetera. Neben unserem Objekt des Monats wurden im Teilprojekt weitere Objekte mit Bezug zum Landjudentum in KuLaDig erfasst. Darunter sind der jüdische Friedhof, die Gasthäuser Dahlheimer und Faust, das Ehrenmal auf dem Friedhof u.v.m. Im Ort entstand ein thematischer Rundweg, der ebenfalls als KuLaTour in der KuLaDig-App verfügbar ist.

Flyer der Ortsgemeinde Hottenbach zum Themenrundweg „Landjudentum in Hottenbach“.

Für die Hottenbacher war die 3D-Rekonstruktion dieses Gebäudes mit seiner wechselvollen Geschichte, die man heute nur noch erahnen kann, ein Herzenswunsch. Für uns ist es auch deswegen ein Objekt des Monats.

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