Spielend historisches Wissen erlangen: Ein Werkstattbericht

Wie lassen sich jüngere Zielgruppen – insbesondere Familien, Kinder, Schulklassen – für kulturhistorische Fragestellungen und Themen gewinnen? Diese Frage beschäftigt uns schon seit Beginn unseres Modellprojekts. Unter anderem haben wir kindgerecht KuLaDig-Beiträge gestaltet (beispielsweise in Kamp-Bornhofen und – unterstützt durch das KuLaDig-Kompetenzzentrum – in Laubenheim) oder durch das Quiz des Monats auf Instagram zum Rätseln eingeladen. Da wir uns stets auch an den konkreten Interessen unserer Modellkommunen orientieren, haben wir im letzten Projektjahr diesen Bereich nochmals erweitert und in Pirmasens oder auf der Burg Lichtenberg externe Gamification-Elemente entwickelt. In diesem Beitrag möchten wir – als work in progress – verschiedene Konzepte skizzieren:

Spurensuche in 360-Grad: Virtuelle Fundstellen auf Burg Lichtenberg

In Kooperation mit dem kommunalen Team Kusel und den beiden Projekten Smart-City und TRAFO setzen wir seit 2023 die Digitalisierung der Burg Lichtenberg und ihre Transformation in eine Art virtuellen Wissensraum um. Neben den KuLaDig-Objekten zur Burg wurde auch ein 360-Grad-Rundgang mit fast 50 Panoramen erstellt. Die Nutzer:innen können sich nun interaktiv und barrierefrei durch die Burg bewegen und verschiedenste Arten von Medien – beispielsweise ein dreisprachiger Audioguide, Weblinks, Drohnenaufnahmen, Videoclips, Textboxen mit Informationen und Bilder – an den passenden Stellen abrufen. Es war uns wichtig, dass die Nutzer:innen autonom sind, selbstständig und interaktiv wählen können, welchen Weg sie gehen und zu welchen Bauteilen sie mehr wissen möchten. Diese Umsetzung bietet aufgrund seiner Interaktivität per se bereits einen gewissen Gamification-Aspekt, der auch für jüngere Zielgruppen attraktiver erscheint als Wissensvermittlung rein über Textbeiträge. Um die Attraktivität dieser virtuellen Räume für jüngere Zielgruppen noch zu steigern, haben wir Fundobjekte an verschiedenen Stellen im virtuellen Raum integriert und wieder sichtbar gemacht.

Zu Beginn der virtuellen 360-Grad-Tour wird mittels eines Stapels gelber Marker auf die Fundstellen hingewiesen.

Alle Fundstellen werden mit einem gelben Marker ausgewiesen, Anspielung auf Tatortmarkierungen aus Krimis. Detailaufnahmen an den Fundstellen ermöglichen das genaue Betrachten der Funde, Textboxen liefern Hintergrundwissen, wenn man Näheres zum jeweiligen Objekt erfahren möchte.

Zwei Beispiele für Fundstellen in der virtuellen Tour: Ein einstmals vergrabenes Skelett wird – KI-generiert – wieder sichtbar gemacht (links), ebenso ein Knopf mit roter Edelsteineinlage (rechts).

Die Fundstellen, die zwischen dem erstem Tor und der Kirche verteilt sind, also genau in der Zone in der sie auch ausgegraben wurden, verdeutlichen den Mehrwert digitaler 360-Grad-Räume. Nicht nur Leute, die sich aus der Ferne von der Burg ein Bild machen wollen, werden mit dem Angebot angesprochen, sondern auch Besucher:innen der Lichtenberg, die sich im virtuellen Raum mit dem Smartphone auf die Suche nach den Funden begeben und somit eine vielseitige Besuchserfahrung machen können: reale Aura der alten mächtigen Burg und virtuelle Suche per Smartphone nach Fundstücken mit ihren ganz eigenen Geschichten.

Wissensvermittlung via Quiz nach dem Baukastenprinzip in Pirmasens

Pirmasens war mehrere Jahrhunderte lang das Zentrum der deutschen Schuhindustrie. Viele Orte und Objekte in der Stadt sind als stumme Zeugen erhalten geblieben und sollen nun in einem Stationen-Rundgang mithilfe von Infoschildern und QR-Codes wieder sichtbar gemacht werden. Neben den KuLaDig-Informationen zum jeweiligen Objekt – exemplarisch hier der Themenbeitrag – und ergänzenden Videos soll an jeder Station auch ein spielerisches Element angeboten werden, um sie besonders für Familien mit Kindern attraktiv zu machen – ob Lückentext, Multiple Choice, Zeitstrahl oder Zuordnungs-Spiel, um nur ein paar Formate zu nennen. Jedes dieser interaktiven Elemente hält Informationen zur Geschichte von Pirmasens und seiner Schuhindustrie bereit.

Interaktive Formate zur Schuhgeschichte in Pirmasens: Zeitstrahl, Lückentext, Zuordnungsspiel (von links nach rechts).

Die einzelnen Formate wurden mit der Open-Source-Software H5P umgesetzt und werden auf einer WordPress-Seite angeboten. Auf diese Weise können sie direkt über einen QR-Code angesteuert werden. Auf den Spiele-Seiten wird jeweils per Link auf die KuLaDig-Inhalte verlinkt. Von KuLaDig aus erfolgt die Verlinkung über ein Bildlink (neue Seite öffnet sich beim Anklicken des Bildes) über ein einprägsames Spielfiguren-Icon.

KuLaDig-Beitrag zum Schusterbrunnen in Pirmasens. Die Spiele-Seite mit dem Lückentext ist über das Spielfiguren-Icon zu erreichen.

Im Falle des Schusterbrunnens helfen die Informationen in KuLaDig beim Lösen der Aufgabe: Die Inschriften des Brunnens werden dort aufgeführt, sollte man nicht vor Ort sein, um die richtige Inschrift direkt suchen zu können.

Actionbound Mittelrhein-Eduventure – The Next Step

Nicht unerwähnt lassen wollen wir aber auch eine komplexe digitale Schnitzeljagd aus den Jahren 2021/22, an dessen Umsetzung wir beteiligt waren: Das Projekt „Mittelrhein-Eduventure – The Next Step“. Dieses Pilotprojekt wurde unter der Federführung des damaligen Instituts für Wissensmedien (IWM), heute Interdisziplinäres Zentrum für Lehre (IZL), an der Universität Koblenz konzipiert und mit engagierten Partner:innen aus Weisel und Kaub realisiert. Es baute auf auf früheren Projekten des IWM zu Gamification, setzte aber neue Gestaltungsmöglichkeiten wie Mixed-Reality-Anwendungen oder virtuelle Räume ein. So entstand im Vorfeld der BUGA 2029 ein innovatives Format, das zum Nachmachen einlädt.

Für das Projekt wurden auch aufwändige Animationen produziert, wie die Pontonbrücke über den Rhein aus verschiedenen Sichten (links und Mitte) oder der Tross von Blüchers Armee bei Weisel (rechts).

Die Idee war, Wissensvermittlung und Spiel (education und adventure = Eduventure) in Form einer digitalen Schnitzeljagd mit der App Actionbound zu vereinen und einer breiten Zielgruppe – neben versierten Actionbound-Nutzer:innen vor allem jüngere Menschen und Familien – kostenlos verfügbar zu machen. Die Anwendung hält verschiedene Aufgaben sowie 360-Grad-Räume via vr-easy, Drohnenflüge und animierte Mixed-Reality-Elemente bereit. Die Besucher:innen des Mittelrheintals benötigen zum Spielen lediglich ein eigenes Smartphone, um mittels digitalem Storytelling in die Vergangenheit einzutauchen – und ein wenig Neugier auf historische Ereignisse.

Mithilfe der App Actionbound werden die beiden Touren mit ihren Aufgaben und eingebundenen 360-Grad-Räumen nutzbar gemacht.

Zwei Eduventures wurden für die Orte Weisel und Kaub erstellt, mit intensiver Unterstützung durch lokale Expert:innen. Sie nehmen die Nutzer:innen mit ins Jahr 1813/14. Damals zog der preußische Generalfeldmarshall Blücher mit seiner Armee über Weisel nach Kaub an den Rhein, um die auf der gegenüberliegenden Rheinseite stationierten Franzosen zu überrumpeln. In einer spektakulären Aktion und bei eisigen Temperaturen errichteten seine Soldaten eine provisorische Pontonbrücke, mittels derer die Armee mit knapp 50.000 Soldaten und 20.000 Pferden den Fluss überquerte. Die Spieler:innen begleiten zwei fiktive Charaktere und müssen Aufgaben rund um den Rheinübergang lösen. Somit werden sie nicht nur unterhalten und sammeln Punkte, sondern lernen an Originalschauplätzen bislang wenig Bekanntes über dieses bedeutende geschichtliche Ereignis: Neben der logistischen Meisterleistung steht das Leiden der Bevölkerung und der einfachen Soldaten im Zentrum der Geschichte.

An originalen Schauplätzen den historischen Ereignissen virtuell auf die Spur gehen: hier wird der animierte Soldatentross angezeigt. In der Mitte der QR-Code zur Start des Bounds in Weisel. Rechts eine Spielstation aus dem Bound.

Zwischenfazit

Gamification als Mittel der digitalen Wissensvermittlung bietet ganz verschiedene und spannende Formate und richtet sich aufgrund der ihr eigenen Interaktivität an jüngere Zielgruppen, die ansonsten oft wenig Interesse an kulturhistorischen Inhalten haben. Sicher ist die Quantität des zu vermittelnden Wissens nicht vergleichbar mit den herkömmlichen Textbeiträgen, dafür aber kann hier – so unsere Hoffnung – Interesse entfacht werden, das zu einer weiteren Beschäftigung und Vertiefung führen kann, zum Beispiel in den integrierten KuLaDig-Beiträgen. Wir werden diese Formate weiter entwickeln und Sie auf dem neuesten Stand halten.

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