Idar-Oberstein hat sich aufgrund des Vorkommens und der Verarbeitung von Achatsteinen bereits seit langer Zeit einen Namen als Zentrum der Edelstein verarbeitenden Industrie in Deutschland und weltweit gemacht. Im Laufe des 19. Jahrhunderts entstanden dort auch Betriebe für Modeschmuck. Innovationen im Bereich der Materialtechnik, der Oberflächenverarbeitung und der maschinellen Fertigung von Halbfabrikaten führten diesen Aufschwung herbei und hatten zur Folge, dass kunstvoll aussehender Schmuck auch für gering verdienende Teile der Gesellschaft erschwinglich wurde, der sich echten Gold- und Silberschmuck nicht leisten konnte. Der neue Kundenkreis orientierte sich mit der „unechten Bijouterie“ an den sozial höherstehenden Schichten und versuchte, sich bewusst von der Arbeiterschaft abzugrenzen. Man schmückte sich mit dem Luxus, sich schmücken zu können, und erfreute sich an den neuen Möglichkeiten und Vorteilen serieller Produktion.

Kolorierte Fotografie von Idar-Oberstein, um das Jahr 1910.
In der Blütezeit waren in Oberstein etwa 5.000 Menschen – einschließlich der Heimarbeit – in der Schmuck- und Metallwarenindustrie beschäftigt. Bis in die 1960er Jahre gehörte Oberstein zu den führenden Modeschmuckzentren der Welt. Dann aber brach der Umsatz ein. Der spezielle Industriezweig, der seine Grundlage in der Massenfertigung hatte, konnte mit asiatischen Betrieben aufgrund des weltweiten Wettbewerbs und der veränderten Umweltvorschriften an diesem Standort nicht mehr konkurrieren, sodass viele Traditionsbetriebe im Ort schlossen.

Modeschmuck aus der Fabrik Jakob Bengel Idar-Oberstein.
Einer der letzten Betriebe, der sich bis in die 1990er Jahre halten konnte, war die Ketten- und Bijouteriewarenfabrik Jakob Bengel, unser Objekt des Monats Februar. Sie beendete in den späten 1990er Jahren ihre Produktion. Geradezu nahtlos wurde eine Stiftung begründet, um das Industriedenkmal und seine Innenausstattung für zukünftige Generationen als Museum zu erhalten. Dieser fast nahtlose Übergang in seiner Funktion macht das Industriedenkmal zu einem Ort mit ganz besonderer Atmosphäre. So hat man beim Besuch ein wenig das Gefühl, dass die Arbeiter nur kurz für eine Mittagspause ihre angestammten Plätze verlassen haben und in Kürze zurückkehren.

Ehemalige Arbeitsplätze im heutigen Industriedenkmal Jakob Bengel Idar-Oberstein.
Im Teilprojekt Idar-Oberstein (Teilprojekt 2022) wurde uns während der Begehung bewusst, dass dem Industriedenkmal Jakob Bengel neben der erhalten geblieben Historischen Weiherschleife am Idarbach eine Schlüsselrolle zukommt, um das Rahmenthema der Edelstein- und Schmuckindustriemetropole anschaulich zu machen. Der bereits bestehende virtuelle 360-Grad-Rundgang durch das Gebäude konnte auch am KuLaDig-Objekt verfügbar gemacht werden. Die dort bereits bestehenden Videos wurden durch zwei weitere zum Thema Heimarbeit und zur Arbeit eines Stahlgraveurs ergänzt, die bereits jetzt am Objekt und in Kürze auch im virtuellen Raum an passenden Stellen sichtbar sind.
Im Teilprojekt entstanden ebenfalls der übergeordnete Beitrag zur Stadt Idar-Oberstein sowie ein Beitrag zur Gewerbehalle, in der früher die regionalen Schmuckerzeugnisse ausgestellt wurden. Weitere Objekte werden in Kürze fertiggestellt. Als besonderer Glücksfall erwies sich das Engagement der kommunalen Projektgruppe, die neben der Mitarbeiterin der Stadt auch eine Mitarbeiterin im Stadtarchiv sowie Mitarbeitern des Industriedenkmals Jakob Bengel Idar-Oberstein und engagierten Zeitzeug:innen zählte. Neben Texten, historischen und aktuellen Bildern und dem virtuellen 360-Grad-Rundgang wurde auch historisches Videomaterial zu Idar-Oberstein im Jahre 1920 für die Veröffentlichung in KuLaDig zur Verfügung gestellt.