Karten geben einen guten Überblick. Diese Tatsache haben wir bereits in vergangenen Beiträgen zum Kartenwerk von KuLaDig betont (beispielsweise 2020, 2021, 2022 und 2023). Dass Karten aber darüber hinaus auch das Potenzial haben, sehr anschaulich die Entwicklung – also das historische Wachsen – eines Ortes darzustellen, ist vielen vielleicht nicht so geläufig. In der Tat braucht es dafür zum einen verschiedene Karten (beispielsweise historische und topografische Karten) und dazu eine Person, die diese auch zu deuten und „lesen“ vermag. Dann kann daraus wirklich ein für die Ortsgeschichte relevanter Beitrag der Wissensvermittlung entstehen.

Im Teilprojekt Oberkail beispielsweise hat das engagierte kommunale Team einen Videoclip produziert, in dem der lokale Wissensträger Jörg Kreutz vom Geschichtlichen Arbeitskreis der Ortsgemeinde Oberkail die Entwicklung der Ortsstruktur anschaulich macht, unser Medium des Monats Februar. Dabei benutzt Kreutz verschiedene Kartenwerke, topografische und historische, um verschiedene Aspekte der Ortsstruktur und -entwicklung anschaulich zu machen. Wo befindet sich der älteste Teil, der Ortskern und welche Gebäude lassen sich dem sogenannten Burgbereich zuordnen? Wo wurden dann in der Neuzeit, besonders ab dem 18. Jahrhundert, Neubaugebiete erschlossen?

Spannend sind ebenfalls die figurativen Karten aus dem 18. Jahrhundert, die nur einen systematischen Aufbau zeigen, der allerdings in Größe und Lage die Verhältnisse recht ungenau wiederspiegelt (siehe Beitragsbild, Quelle: Staatsarchiv Brüssel). Dafür aber werden ungefähre Lage und Aussehen der wichtigsten Kulturdenkmäler, beispielsweise Schloss, Frohnertkapelle und Eremitage wiedergegeben, während den abgebildeten Häusern und Scheunen lediglich ein symbolischer Wert beigemessen werden kann. Deutlich wird ebenfalls, dass gewisse, noch heute bestehende Ortselemente, wie der Burggartenbereich, mit der Zeit entstanden und in den Kartenwerken dokumentiert wurden. Der Garten, der einstmals nahe der Burg geschaffen wurde, existiert noch heute und wurde – wie auch der gräfliche Bungert (Garten mit Obstbäumen) in der Karten Tranchot- v. Müffling von 1803-1820 – erstmals verzeichnet. Neben diesen Informationen flicht Jörg Kreutz auch kleine Anekdoten mit ein. So erfährt man, dass der gräfliche Bungert nicht von „normalen“ Ortsbewohnern betreten werden durfte. Der Oberkailer Müller, dessen Mühle genau hinter dem Bungert lag und der immer einen Umweg um den Obstgarten nehmen musste, um ins Dorf zu gelangen, wurde häufiger mal beim Durchlaufen des gräflichen Areals erwischt. Die ihm auferlegte Strafe bestand darin, ein Bußgeld zu zahlen.

Erst 1932 wurde mit der Flur-Katasterkarte ein genauer Überblick auch über die einzelnen Wohngebäude gegeben, die bislang nur relativ schematisch und ungenau in Lage und Größe wiedergegeben worden waren. Zum Schluss legt Kreutz die historischen Karten über eine aktuelle topografische Karte und zeigt somit den Wachs- und Verdichtungsprozess Oberkails seit den 1770er Jahren auf. Besonders auffällig ist der „explosionsartige“ Bevölkerungsanstieg im 19. Jahrhundert, der sich stark auf Oberkail auswirkte.
In unserem Landesprojekt besitzt dieses 9 Minuten lange Video ein Alleinstellungsmerkmal, weil bislang niemand so akribisch und dennoch kurzweilig anhand verschiedener Kartenwerke Aufbau und Entwicklung eines Ortes anschaulich zu vermitteln wusste. Hier unser Medium des Monats: