In der letzten Zeit kommt es immer wieder zu Diskussionen um den richtigen Umgang mit problematischer Geschichte und vor allem mit Denkmälern, einhergehend mit der Frage, ob wir in unserer Demokratie Personen, die absolutistisch geherrscht, Kolonialpolitik betrieben, Frauenrechte unterdrückt und Kriege geführt haben, heutzutage noch diesen erhobenen Platz einräumen sollten. Häufig wird bei dieser Diskussion der Umstand vergessen, dass – wie bei so vielen Kulturlandschaftsobjekten – auch bei Denkmälern mit der Zeit ein Funktionswechsel stattgefunden hat. So wurden beispielsweise an Bismarcks Geburtstag noch Blumenkränze zu Füßen der vielen steinernen Vertreter des bereits zu Lebzeiten mit der Ehrenbezeichnung „eiserner Kanzler“ zu einer Art lebendem Denkmal-Menschen gewordenen Politikers gelegt und „Heil dir im Siegerkranz“ angestimmt.

Detail der Darstellung des „Eisernen Kanzlers“ Otto von Bismarck als Rolandsfigur in Ritterrüstung am Bismarckturm in Köln-Marienburg (2020).
Heutzutage dienen diese Objekte bestenfalls als Treffpunkt für Verabredungen und die wenigsten Eltern können auf die kindliche Frage, wer denn dieser bärtige Mann sei, mehr antworten als: „Das ist Bismarck, der ist schon lange tot, aber nach ihm sind die Bismarckheringe benannt, die Papa so gerne isst.“ Von Verehrung keine Spur mehr, warum also Geschichte negieren? Warum sie nicht lieber zu Orten demokratischer Aufklärung und Wissensvermittlung nutzen, um die damaligen Bild- und Denkmalstrategien darzustellen und um die Hintergründe kritisch zu beleuchten?

Viele wünschen sich die Demontage von Denkmälern bestimmter historischer Personen, wie dieser hier. Doch was wäre die Hohenzollernbrücke in Köln ohne das Reiterstandbild Kaiser Wilhelm II.?
In Kaub am Rhein steht ein – wenn es um seine Bedeutung geht – etwas kleinerer Vertreter dieser Gattung, man könnte sagen ein „kleiner Cousin“ Bismarcks: das Denkmal des preußischen Generalfeldmarschalls Gebhard von Blücher, unser Objekt des Monats April. In Deutschland gibt es an verschiedenen Orten Blücher-Denkmäler, nicht ganz so viele, wie es Bismarck-Denkmäler gibt, aber dennoch eine ansehnliche Zahl. Alleine in KuLaDig haben wir bereits fünf Objekte mit Bezug zum „alten“ Blücher, wie beispielsweise der Blücherbrunnen in Lauterecken oder der Blücherpark in Bilderstöckchen. In Kaub steht er nicht von ungefähr und weist mit seiner Hand zum anderen Rheinufer hinüber. Denn dieses Denkmal erinnert an eine Begebenheit, die historische Relevanz für ganz Europa besaß und die selbst Goethe mit folgenden Zeilen rühmte: „In Harren und Krieg, in Sturz und Sieg, Bewußt und groß, So riß er uns von Feinden los.“ (Johann Wolfgang von Goethe, Dem Fürsten Blücher von Wahlstadt // die Seinigen, 1818).

Die Darstellungstradition des „Marschalls Vorwärts“, wie Blücher auch genannt wurde, zeigt ihn als voranstürmenden erfahrenen Haudegen. So auch in Kaub.
In den bitterkalten Nächten um den Jahreswechsel 1813 und 1814 war in Kaub am Rheinufer einiges los. Eilig und möglichst leise zogen aus den Rheinhöhen-Gemeinden – hier besonders ist der kleine Ort Weisel hervorzuheben – in Massen die aus der sogenannten „Völkerschlacht bei Leipzig“ kommenden Soldaten der Schlesischen Armee. Diese wurde von Blücher befehligt und zählte, trotz ordentlicher Dezimierung, noch fast 50.000 Mann. In aller Heimlichkeit waren Teile für eine hölzerne Pontonbrücke in den Wäldern bei Weisel gebaut worden und über abenteuerliche Wege fünf Kilometer hinab nach Kaub an den Rhein transportiert worden. Eine schwimmende Pontonbrücke wurde gebaut, während die französischen Soldaten auf der gegenüberliegenden Rheinseite nichts ahnend auf das neue Jahr anstießen.

Der Maler Wilhelm Camphausen stellte 1859 den Rheinübergang als eine Art nationales „Freudensfest“ dar, an dem Frauen und Kinder den Soldaten zujubelten. Die Wahrheit dürfte etwas anders ausgesehen haben.
Der berühmte „Rheinübergang“ klappte, die Franzosen konnten zurückgedrängt und Napoleon besiegt werden. Das Blücherdenkmal wurde 1894 zur Zeit des Deutschen Kaiserreiches errichtet und verkörpert mit dem heroischen Fingerzeig und der Entschlossenheit im Gesichtsausdruck in sich die „Heldentat“ Preußens. Warum aber ist das Blücherdenkmal im nur wenige Kilometer entfernten Weisel so schlicht gehalten, eher im Stil eines Mahnmals? Vielleicht weil dieser Rheinübergang für die Menschen in dieser Region großes Leid bedeutete und für einige sogar den Tod. 50.000 heruntergekommene, hungernde und vor Frost schlotternde Soldaten mussten beherbergt werden, zudem 20.000 Pferde – dies forderte hohe Opfer von der Zivilbevölkerung.

Der Zeichner Auguste Raffet zeichnete ein realistischeres Bild der Soldaten der Zeit. Die ausgemergelten und verlumpten Figuren, hier Franzosen, litten am sogenannten Fleckfieber, das die Soldaten in Europa verbreiteten und an dem auch in Kaub und Weisel einige Menschen starben.
Die Blücherdenkmäler in Kaub und Weisel sind zugleich Startpunkt zweier digitaler Schnitzeljagden, die ganz im skizzierten Sinne Geschichte kritisch aufbereiten. Um neben der militärischen und organisatorischen Leistung, die zweifelsohne von Blücher und seinen Soldaten erbracht wurde, auch kritische Aspekte zu vermitteln, wurde 2021/22 durch das Institut für Wissensmedien, heute Interdisziplinäres Zentrum für Lehre der Universität Koblenz und in Kooperation mit KuLaDig-RLP und etlichen Ehrenamtler:innen aus Kaub und Weisel das „Mittelrhein-Eduventure – The Next Step“ entwickelt. Die Spieler:innen können mit der App Actionbound ins Jahr 1813/14 eintauchen, um die beiden fiktiven Figuren Adam und Johann Berger bei ihren Aufgaben rund um den Rheinübergang zu begleiten und zu unterstützen. Beide Touren (Bounds) können separat gespielt werden, sind aber erzählerisch miteinander verbunden. Durch das Lösen von Aufgaben gelangt man zur nächsten Station. Die Grundfunktionen der App wurden um Audiodateien, Bilder, 360-Grad-Räume und aufwändige Animationen – beispielsweise der Pontonbrücke oder der lagernden Soldaten – angereichert.

Impressionen aus den beiden digitalen Schnitzeljagden (Eduventures) in Kaub und Weisel.
Da die beiden Touren an den beiden Blücherdenkmälern in Kaub und Weisel starten, wurden an beiden KuLaDig-Objekten die Startpunkte als Unterobjekte eingefügt. In diesem Frühjahr soll auch die Sichtbarmachung des Angebots in Form von Plaketten mit QR-Codes an den Objekten erfolgen, um die Menschen einzuladen, an der Umfunktionierung der alten Denkmäler zu Orten der (digitalen) Wissensvermittlung und der Auseinandersetzung mit unserer Geschichte bei hoffentlich bestem Frühlingswetter teilzunehmen. Und so kann man eine kurze Wanderung von jeweils rund drei Kilometern in schöner Landschaft, erzählt mit modernen Medien, mit einer kritischen Reflexion der historischen Ereignisse an Originalschauplätzen verbinden.
Trailer zum Mittelrhein-Eduventure – The Next Step.
Übrigens: Wer sich dafür interessiert, wie wir mittels der App Actionbound die beiden Eduventures umgesetzt haben, ist herzlich eingeladen, am 25. April an einer Live-Video-Präsentation über Zoom teilzunehmen. Auf Anfrage von Actionbound werden wir von 16:00 bis 17:00 Uhr als Best-Practice-Beispiel über unser Vorgehen berichten. Hier gibt’s nähere Informationen zum Event. (Weitere Informationen auch unter Unsere multimedialen Stories).