Heute würde man vermutlich von einem grandiosen politischen Flashmob sprechen, einer nicht angekündigten Demonstration. Damals gab es für dieses Ereignis – heute „Hambacher Fest“ genannt – keine passende Benennung, denn etwas ähnliches hatte es – zumindest in Deutschland – so noch nicht gegeben. Deutschland trifft es zudem auch nicht ganz, passender wäre, in den deutschen Ländern oder „Landen“. Denn das, was wir heute Deutschland nennen, war damals ein „Flickenteppich“ verschiedener kleiner und großer Fürstentümer und Königreiche von gänzlich unbedeutend und so geringer Größe, dass man das Staatsgebiet mit der Kutsche in wenigen Stunden durchfahren konnte, bis hin zu Mächten, die auch vom großen und mächtigen Frankreich ernst genommen wurden, allen voran das Königreich Preußen. Aber der Begriff „Deutschland“ war damals in aller Munde, war der Grund für dieses Zusammenfinden, war Sehnsucht und Utopie.
Diese Sehnsucht nach einem deutschen Nationalstaat und nach politischer Mitbestimmung und Freiheit führte Tausende Menschen – die Rede ist von 20.000 bis 30.000 – aus allen deutschen und sogar weiteren europäischen Ländern am 27. Mai 1832 zu einer hoch auf dem Berg gelegene Burgruine in die südlich von Neustadt a. d. Weinstraße und Hambach gelegene, damals dem Bayerischen Königreich zugehörige Pfalz. Die Worte „Deutschlands Wiedergeburt“ prangen auf einer großen Flagge zu Beginn des Zuges, der sich seit 8 Uhr in der Frühe spiralförmig den Berg bis zur Ruine hinaufschraubt. Vornehmlich Männer aller Gesellschaftsschichten, aber auch Frauen und sogar Kinder gehen mit. Der Jugend, in erster Linie Studenten, kommt eine Schlüsselrolle zu. Sie vertreten besonders vehement die neuen Parolen und fordern ein, was die Herrscher dem Volke zugesichert hatten, als sie durch Napoleon in Bedrängnis geraten waren und was sie nur schnell wieder vergaßen, als dieser durch vereinte Kräfte unschädlich gemacht worden war: politische Mitbestimmung, eine liberale Verfassung und ein deutscher Nationalstaat.

Heute wissen wir, dass der Weg bis zu diesem Staate noch lange dauerte (1871 Gründung des Deutschen Reiches und 1918 Ausrufung der Republik), dennoch aber gilt dieses mythisch erscheinende, durch ein leidenschaftliches Demokratieverständnis hervorgerufene Ereignis vielen als eine „Geburtsstunde der deutschen Demokratiegeschichte“ und das Hambacher Schloss, unser Objekt des Monats September, als „Wiege der deutschen Demokratie“.

1952 begann man bereits, Teile der früheren Maxburg, von nun an als Hambacher Schloss bezeichnet, aufzubauen. 1969 folgte der Landkreis Bad Dürkheim dem aufgelösten Kreis Neustadt als Besitzer. Zum 150. Jubiläum des Hambacher Festes wurde das Schloss zwischen 1980 und 1982 restauriert und eine Dauerausstellung installiert. 2002 wurde die Stiftung Hambacher Schloss gegründet, deren Träger das Land Rheinland-Pfalz, der Bezirksverband Pfalz, der Landkreis Bad Dürkheim und die Stadt Neustadt sind. Seit 2020 untermauert die Wirkungsmacht des Schlosses Neustadts Profilierung als „Demokratiestadt“. Und am 2. September 2025 dient uns das Hambacher Schloss als prachtvolle und symbolträchtige Kulisse für unser diesjähriges Netzwerktreffen mit 200 angemeldeten Teilnehmenden.
Neustadt zeigte seine Strahlkraft für die Demokratiebildung auch zu anderen Zeiten. 1941 war der französische Politiker und Europa-Vordenker Robert Schuman von der Gestapo im Kurhaus Kohler in Neustadt inhaftiert worden – in einem der besonders gefürchteten Gaue des Dritten Reichs. 1942 gelang ihm die Flucht nach Frankreich in den Untergrund. Schuman bekleidete später hohe politische Ämter und schuf mit der „Schuman-Erklärung“ eine Grundlage für die heutige Europäische Union.

Dieses Thema wird zurzeit im Modellprojekt Neustadt an der Weinstraße gemeinsam mit dem kommunalen Team und Studierenden unserer Universität für KuLaDig und die Öffentlichkeit erschlossen [weitere Infos in unserem Beitrag zu den Teilprojekten 2025]. Geplant ist eine Thementour auf den Spuren von Schuman in Neustadt.
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