Auch unter den Objekten des Kulturellen Erbes gibt es Vertreter, die nicht ganz unproblematisch sind, die unser Projekt herausfordern. Die uns – da sie aus anderen Zeiten und Kontexten stammen – heute ein wenig befremdlich anmuten, nachträglich irritieren und Fragen aufwerfen. Deutlich wird dies beispielsweise bei Denkmälern für einstige Vertreter des Kolonialismus oder des Imperialismus, aber auch bei sogenannten Kriegergedächtnisorten, -denkmälern oder -Kapellen, die an deutsche Gefallene des Ersten und Zweiten Weltkriegs erinnern.
Die Menschen, denen an diesen Orten gedacht wird, waren unmittelbar Mitwirkende an den Kriegen, die Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gegen eine Vielzahl anderer Länder entfesselt hat und führte. Manche waren überzeugt von der Richtigkeit ihres Handelns, manche waren schlicht weg der Kindheit Entrissene, deren Leben und Sterben durch Zeit und Ort gewissermaßen vorbestimmt war. Wie geht man mit solchen Objekten und mit solchen Schicksalen angemessen um, insbesondere in der heutigen Zeit, in der derartige Objekte zu Stellvertretern für eine in sich gespaltene Gesellschaft werden und sowohl – von verschiedenen Lagern – zu Instrumentalisierung genutzt oder pauschal abgelehnt werden?


In Herxheim, Modellkommune 2024, ging es vornehmlich darum Grabmäler von für die Stadtentwicklung bedeutsamer Personen auf dem Friedhof und auf dem Kirchhof in KuLaDig zu erfassen und mit Audiodateien auch als Hörstationen verfügbar zu machen. Ein weiterer Baustein dieses Teilprojekts, in dem das Gedenken an konkrete Menschen im Vordergrund steht, wurde dann die Kriegergedächtniskapelle auf dem Kirchberg, unser Objekt des Monats März.
Unseren Herxheimer Partner:innen und uns aber war es wichtig, ein Wagnis einzugehen und auch einige der Gefallenen ins Bewusstsein zu rücken. Der Grat zwischen Heldenverehrung und Stigmatisierung, zwischen Tätern und Opfern, ist schmal und gleicht einem Ritt auf Messers Schneide. Wir wollten in diesem Projekt eine möglichst neutrale Darstellung der Biografien gefallener Herxheimer geben, um auf diese Weise einen Beitrag zu leisten und aufzuzeigen, wie sehr ein Unrechtsstaat und die Gräuel eines Krieges in die kleinsten Zellen unserer Gesellschaft, die Familie, eingriffen und heute noch eingreifen.
Aus diesem Grund haben wir vom KuLaDig-Objekt aus Unterseiten angelegt, um den Gefallenen einen digitalen Gedächtnisraum zu geben. Auf den Unterseiten wird in einem knappen Beitrag und in der Regel mit Fotos, manchmal auch ergänzt durch eine Audiodatei, das kurze Leben der Gefallenen dargestellt. Ein Urteil über die Personen – wer von ihnen überzeugter Nazi und wer von ihnen ohne Wahl in den „Fleischwolf“ gezogen wurde, wollen wir nicht fällen.


Wo es ging waren wir bemüht die Personen nicht auf ihr Dasein als Soldaten zu beschränken. Da aber häufig Bilder in Wehrmachtsuniform die einzigen uns verfügbaren Abbildungen waren, blieb uns manchmal nichts übrig, als zumindest optisch den Fokus auf diesen Umstand zu setzen. Die Texte und Audios aber, die von Dr. Klaus Eichenlaub vom Herxheimer Heimatverein e.V. verfasst und produziert wurden, möchten diesen Fokus erweitern und auch den Menschen hinter der Uniform in den Blick nehmen. Briefe von der Front geben Einblicke in die dramatische Situation der Soldaten. Sie künden von Entbehrungen, Verwundung, Tod und dem Vermissen der Familie und lassen sicher vieles ungesagt, aus Rücksicht gegenüber den Angehörigen und unter Beachtung der damals herrschenden Politik und Zensur, schlechte Nachrichten zu unterdrücken. Hier ein vertonter Brief von Ludwig August Zotz, der 1943 fiel.
Ebenso ergreifend in ihrer Nüchternheit ist zum Beispiel eine Mitteilung des Vorgesetzten an die Ehefrau, dass ihr Mann vermisst wird und vermutlich gefallen ist. Schaurige, aber zugleich wichtige Zeugnisse von der Absurdität und Grausamkeit eines Krieges, heute wie damals.
Die Informationen und Bilder wurden in der Regel von den Angehörigen der betreffenden Personen und mit deren ausdrücklichen Zustimmung zur Verfügung gestellt. Da es sich um eine Vielzahl von Personen handelt, wird dieses Projekt stetig ergänzt. Ein gewisser Grundstock aber ist bereits erfasst.

Wie also umgehen, mit solchen problematischen Objekten des kulturellen Erbes? Wir plädieren dafür, sie nicht dem Verfall, dem Vergessen oder gar dem Abriss anheimfallen zu lassen (letzteres wird häufig bei Denkmälern aus der Kolonialzeit laut). Vielmehr plädieren wir dafür, sie zu Objekten der Wissensvermittlung zu machen, sie in ein kritisches und den ursprünglichen Kontext hinterfragendes Licht zu stellen und somit ihre ursprüngliche Funktion der relativ unreflektierten Verehrung– wenn nötig – zu korrigieren.