Objekt des Monats Juni: Auf den Spuren von Raiffeisen im Westerwald

Unsere Modellkommunen bewerben sich stets mit einem konkreten Rahmenthema. Dieses Prinzip hat sich als produktiv erwiesen, konnten sich die Ortschaften doch dadurch ein identitätsstiftendes Profil verleihen, das für alle erstellten KuLaDig-Objekte eine Klammer bildet. Dass thematische Zusammenhänge aber auch über Ortsgrenzen hinweg bestehen, für mehrere Orte Bedeutung besitzen und sich auf diese Weise interessante übergreifende Erzählstränge bilden lassen, wurde in den Jahren unseres Landesprojekts immer wieder deutlich. Diese thematischen Verknüpfungspunkte können sowohl in weit voneinander entfernten Kommunen auftreten als auch in benachbarten Ortschaften. So brachten wir zum Beispiel das Westpfälzer Musikantenmuseum in Mackenbach bei Kaiserslautern mit dem Pfälzer Musikantenlandmuseum auf der Burg Lichtenberg bei Kusel zusammen, da beide mit beeindruckenden Beispielen Auswanderergeschichten erzählen.

Während unserer Begehung von Hamm (Sieg) in der letzten Woche wurden wir zu Wohnhäusern der ehemals im Orte gut vertretenen jüdischen Gemeinde geführt. Neben den Häusern, die teils mit Stolpersteinen, teils aber ohne diese Mahnmale auf die ganz unterschiedlichen jüdischen Schicksale verweisen, wurden wir von unseren kommunalen Partner:innen auf zwei Gebäude aufmerksam gemacht, die zwar keinen Bezug zur jüdischen Geschichte aufweisen, dafür aber von großer Bedeutung für die Geschichte von Friedrich Wilhelm Raiffeisen sind. 2021 hatte wir erstmals Berührungspunkte mit dem Mitbegründer des Genossenschaftswesens, als nämlich die Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld mit dem Thema „Spuren von Friedrich Wilhelm Raiffeisen“ als Modellkommune an unserem Landesprojekt teilnahm. Eines der Hauptobjekte war damals das Raiffeisenhaus in Flammersfeld. Dieses diente zu Raiffeisens Zeiten als Rathaus, er selbst amtierte dort zeitweise als Bürgermeister, heute ist dort ein Museum untergebracht. Das Museum selbst und einige ausgewählte Inhalte und Medien zu Raiffeisen und seinen Reformbemühungen können auch innerhalb eines 360-Grad-Rundgangs erschlossen werden.

In der 360-Grad-Tour durch das Raiffeisenhaus in Flammersfeld werden Einblicke in das Haus und das Wirken des Genossenschaftsgründers gegeben.

In Hamm (Sieg) wurde Friedrich Wilhelm Raiffeisen als Sohn des dortigen Bürgermeisters geboren. Wo genau er im Ort am 30. März 1818 erstmalig seine Augen aufschlug, ist – zumindest in unserem kommunalen Team – nicht hundertprozentig belegt. Da gibt es zum einen das Gebäude des Deutschen Raiffeisenmuseums in der Raiffeisenstraße 10. Das repräsentative Fachwerkhaus birgt neben verschiedenen Dokumenten auch die Geburtsurkunde und die originale Totenmaske des Sozialreformers.

Die Raiffeisenbotschafterin Julie Georgis erzählt im Raiffeisenhaus in Flammersfeld von der Gründung der Darlehnskassen-Vereine durch Raiffeisen.

Ein weiteres Haus, das sich in der Lindenstraße 3 befindet und heute die „Alte Vogtei“ beherbergt, soll aber aller Wahrscheinlichkeit nach das wahre Geburtshaus sein. Im Ort selbst jedenfalls kann man Raiffeisen auf einem Rundweg in Form bunter, lebensgroßer Skulpturen an verschiedenen Stellen finden.

Das Deutsche Raiffeisenmuseum (links) und das vermutete Geburtshaus, Alte Vogtei, in der Lindenstraße 2, beides in Hamm an der Sieg.

Sowohl Altenkirchen-Flammersfeld, als auch Hamm (Sieg) liegen an der Historischen Raiffeisenstraße, die von Hamm über Weyerbusch bis zum Neuwieder Stadtteil Heddesdorf führt und heute eine beliebte Touristenroute darstellt. Seit ihrer Eröffnung im Jahre 1984 prangen auf den großformatigen braunen Tafeln, die man auch als kulturlandschaftliche Marker von der Autobahn kennt, den etwa 40 Kilometer langen Straßenabschnitt. Noch heute erinnert die Historische Raiffeisenstraße an die durch Raiffeisen erdachte und ins Leben gerufene Baumaßnahme im Straßenbau im harten Notwinter 1846/47. Mithilfe dieser Baumaßnahme bekamen viele notleidende Menschen Arbeit und Lohn, zudem wurde die strukturell sehr schlecht ausgestattete Region um wichtige Infrastruktur bereichert. Dies führte nicht zuletzt zu Verbesserungen im Warentransport und kam den Bauern und Erzeugern im Westerwald zugute.

Auch die Brücke über die Wied wurde im Rahmen der Baumaßnahme unter Friedrich Wilhelm Raiffeisen erbaut.

Auch wenn wir uns im Teilprojekt Hamm auf die Gebäude und Orte zur jüdischen Geschichte fokussieren werden, ist eine Ergänzung der Hammer Lebens- und Wirkungsorte von Raiffeisen sicher sinnvoll. Alleine die sich daraus ergebenden wechselseitigen Verknüpfungsmöglichkeiten in KulaDig würden einen weiteren Mehrwert schaffen und zum Erkunden der verschiedenen Orte mit Themenbezug einladen. Und um die Tour noch um einen Ort zu erweitern: Bis 1843 war Raiffeisen Inspekteur der Sayner Hütte, womit noch ein weiteres besonderes Objekt unseres Landesprojekts im Westerwald – im Rahmen des Themenwegs zum „eisernen Erbe Bendorfs“ – mit dem Leben des Reformers verknüpft werden kann. Gerade solche Verknüpfungsmöglichkeiten machen die besondere Stärke der Plattform KuLaDig mit ihren momentan 25.000 Einträgen aus.

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