Es ist der 9. November 1980, ein Sonntag. Um 10:30 Uhr findet im damaligen Rathaus der Stadt Mutterstadt in der Oggersheimer Str. 13 im Zimmer 1 ein Treffen statt: Neun in Mutterstadt wohnende Mitglieder des Hauptvereins des Historischen Vereins der Pfalz und ein Vertreter der Gemeindeverwaltung treffen sich mit dem Ziel, in Mutterstadt eine eigenständige Ortsgruppe zu gründen. Aktueller Anlass dafür ist die im Oktober 1980 erfolgte Grundsteinlegung für ein neues Rathaus und die sich daraus ergebende Frage, welche Aufgabe dem nun funktionslos gewordenen alten Rathaus in Zukunft zukommen soll.
Diese kolorierte Zeichnung zeigt das historische Rathaus (links) im Jahre 1980. Damals befand sich rechts vom Rathaus noch eine Gaststätte.
Es handelt sich nämlich um ein ganz besonderes Gebäude. Neben seiner prominenten Lage mitten im Stadtzentrum und unmittelbar an einer der Hauptstraßen in Mutterstadt, ist es neben dem Wasserturm das bekannteste Bildmotiv der Stadt. Errichtet wurde der verputzte Sandsteinbau mit Fachwerk-Obergeschossen im Jahre 1738. Ein Walmdach mit achteckigem Dachreitertürmchen bekrönt das Gebäude, dem im Laufe seiner Geschichte ganz verschiedene Funktionen zukamen: So diente es als Dorfgericht, Gerichtssaal, Rathaus, Gebetsraum für Katholiken, Lutheraner und Juden, Feuerwehrunterkunft, Schulsaal, Tabakwaage, Ortspolizeiunterkunft, Sitzungs- und Ratssaal und dann ab Anfang des 20. Jahrhunderts nur noch als Rathaus mit den Amtsräumen.
Das Wappen mit der Jahreszahl 1568 (links) verweist auf einen Vorgängerbau am gleichen Standort. Die kleine Plakette (rechts) erinnert daran, dass von 1876 bis 1980 am Gebäude die Gemeindewaage stand.
Es ist also kein Wunder, dass der hier am 9. November versammelte und an der Ortsgeschichte interessierte Personenkreis die Chance sieht, das frei werdende Rathaus für das Allgemeinwohl zu nutzen. Sie alle eint die Vision, das Gebäude in ein Museum umzuwandeln, in ein repräsentatives Gebäude mit einer Dokumentation der Zeit- und Ortsgeschichte von Mutterstadt. Dieser Gedanke kann dann in den Folgejahren in die Tat umgesetzt werden. Das von den Gemeindebediensteten 1983 geräumte Gebäude wurde in einer ungewöhnlichen Konzeption in den Jahren 1988 bis 1990 saniert und der heutigen Nutzung zugeführt.
Screenshots aus der virtuellen 360-Grad-Tour mit dem Vorplatz des historischen Rathauses und dem Römerraum im Museum.
Auch im Teilprojekt Mutterstadt (Projektjahr 2024) kommt dem historischen Rathaus eine wichtige Rolle zu, denn der Kristallisationsort der Mutterstädter Stadtgeschichte soll ebenfalls zu einem digitalen Raum der Wissensvermittlung ausgestaltet werden. Aus diesem Grund wurden mithilfe der Anschubfinanzierung im Landesprojekt sowie durch großzügige Mittel, die dem Ortsverein von der Stadt zur Verfügung gestellt wurden, neben 360-Grad-Touren auf dem Friedhof und durch die beiden Kirchen (Sankt Medardus und Evangelische Kirche) auch eine 360-Grad-Tour durch das Museum produziert. Wie die anderen 360-Grad-Touren auch, soll der Rundgang durch das historische Rathaus zukünftig noch multimedial angereichert werden, um einen echten Mehrwert zu bieten und Mutterstadt und seine Geschichte im digitalen Raum zu präsentieren. Das Historische Rathaus ist dabei nur eines von vielen bemerkenswerten Objekten Mutterstadts, die im Teilprojekt digital und multimedial erfasst wurden und in den nächsten Wochen zu einem Stadtrundgang kombiniert werden.
Hier geht es zum historischen Rathaus von Mutterstadt, unserem Objekt des Monats Dezember.
Digitale Erfassung und Präsentation von Kulturlandschaften in Rheinland-Pfalz 