0,1 Prozent der Bodenfläche Deutschlands werden laut Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung als Friedhofsfläche genutzt (Jahr 2022, siehe www.bbsr.bund.de), was in etwa 39.000 Km2 Siedlungsfläche entspricht. Diese Flächen werden von Kommunen und Kirchengemeinden verwaltet und gepflegt. Nun zeigt sich aber in den letzten Jahren, dass die Nachfrage nach herkömmlichen Bestattungen und traditioneller Grabkultur sinkt. Sicher kann diese Entwicklung parallel zu den Kirchenaustritten gesehen werden und zeugt von einem tiefgehenden Kulturwandel, in dem religiöse und traditionelle Aspekte ihre einst vorherrschende Rolle im Alltagsleben einbüßen. Kosten- und zeitintensive Gräber und deren Pflege werden durch kostengünstigere Alternativen ersetzt. Diese Entwicklung stellt die kommunalen und kirchlichen Träger der Friedhöfe vor die Frage, wie man Friedhöfe zukünftig gestalten und nutzen möchte.

Grabmahl auf dem Herxheimer Friedhof.
Zwei Eigenschaften machen Friedhöfe allerdings zu ganz besonderen Orten: So handelt es sich bei ihnen in der Regel um Grünanlagen mitten in einem Siedlungsbereich mit häufig wertvollem Baum- und Pflanzenbestand. Zudem beherbergen viele Friedhöfe alte Gräber, anhand derer sozialgeschichtliche Fragestellungen rund um die jeweilige Person oder den Ort behandelt werden können. Viele Kommunen haben diesen Wert ihrer Friedhöfe bereits erkannt und streben eine Umfunktionierung des eigenen Friedhofs hin zu einem Ort der Ruhe, Kontemplation und Wissensvermittlung an.

Auch auf dem ehemaligen Kirchhof bei der Kirche Sankt Maria Himmelfahrt in Herxheim erzählen Gräber Geschichten – hier zu drei Pfarrern des Ortes.
Der Friedhof unserer Modellkommune Herxheim soll eine solche Umwandlung erfahren und langfristig – solche Prozesse brauchen ihre Zeit – zu einem Park umfunktioniert werden. Daraus erwuchs die zentrale Idee des lokalen Teams für die Teilnahme an unserem Landesprojekt: Über ausgewählte Gräber sollen verschiedene Fragestellungen, Epochen und Ereignisse der Ortsgeschichte vermittelt werden.
Da gibt es zum Beispiel das Grabmal des Georg Adam Zotz. Dieser lebte im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert, als Herxheim Teil Frankreichs war, und machte sich in der französischen Armee König Ludwigs XVI. einen Namen.

Gekreuzte Kanonenrohre und eine detaillierte Abbildung des Ludwigsordens am Grab des Georg Adam Zotz.
Dass dieser schließlich Thron und Kopf verlor, erlebte Zotz ebenfalls mit, wenn auch aus Distanz. Dazu war er Zeitzeuge der Französische Revolution sowie von Napoleons Aufstieg und beginnenden Niedergang. Zotz starb am 19. Dezember 1816 und wurde auf dem Herxheimer Friedhof bestattet. Sein Grabmal kündet von der Ehrung durch den Ludwigsorden, auf den Zotz wohl sehr stolz war.
Die exzellent aufgearbeiteten Inhalte stammen von den beiden Kennern der Ortsgeschichte Dr. Klaus Eichenlaub (zu den Objekten auf dem Friedhof) und Wolfgang Adam (zu Gräbern auf dem einstigen Kirchhof).

Inschrift in der linken Seite im Postament des Grabmals von Georg Adam Zotz auf dem Friedhof in Herxheim (2024). Die Inschrift lautet: „Errichtet aus Liebe und Dankbarkeit vom Sohn u. Gatten Johann Peter Zotz“.
Dieses Grab ist nur eins von vielen und jedes wirft ein Schlaglicht auf eine konkrete Person und zugleich eine ganze Epoche der Herxheimer Ortsgeschichte. Etliche weitere Objekte, unter anderem zu Ordensschwestern und Pfarrern oder zu einem bekannten Arzt des Ortes, Dr. Otto Wieser, werden folgen.
Wie aber lässt sich – unter Berücksichtigung des Standorts und der angemessenen Pietät – Informationsvermittlung auf einem Friedhof gestalten? Zum einen haben wir uns gemeinsam mit dem kommunalen Team dazu entschlossen, viele Inhalte in Form von Audios anzubieten, so dass die Nutzer:innen nicht permanent auf das Smartphone blicken müssen. Zudem ist es klar, dass an Grabsteinen keine Infoplaketten mit QR-Codes installiert werden können. Es bedarf also einer Sichtbarmachung in Form einer Infotafel an den Zugängen des Friedhofs oder über Flyer. Die konkrete Umsetzung wird noch beschlossen.

Die Kriegergedächtniskapelle auf dem Kirchberg in Herxheim (2024).
Wichtig im Teilprojekt Herxheim ist: Auch problematische Kapitel und Personen der Ortsgeschichte sollen nicht verschwiegen werden. Auch die Kriegergedächtniskapelle nahe der Pfarrkirche von Herxheim wird in KuLaDig erfasst. Frei nach dem Grundsatz „erinnern ist nicht verehren“ sollen zusätzlich zum Objektbeitrag ausgewählte Biografien gefallener Soldaten des Ersten und Zweiten Weltkriegs digital in Text, Bild und Ton – auch hier spielen Audios eine wesentliche Rolle – verfügbar gemacht werden.

Ludwig Zotz heiratete am 4. Dezember 1942 Margarete Kerner.
Nehmen wir zum Beispiel die Seite zum im Zweiten Weltkrieg gefallenen Ludwig August Zotz, wohl ein Nachfahre des Georg Adam Zotz. Hier werden gleich drei Audios angeboten. Im ersten werden die biografischen Informationen vermittelt, im zweiten ist ein Brief an die Familie und im dritten die Vermisstenmeldung des Kompanieführers an die Ehefrau vertont worden. Neben diesen Schilderungen, die ganz persönliche Schicksale wiedergeben, schwingt immer auch ein kritischer Blick auf die Epoche mit. Es geht uns und den Partner:innen in der Kommune auch darum, diese anrührenden Beiträge zu einzelnen Soldaten in einen kritischen Diskurs um die menschenverachtenden und kriegstreibenden Politik der jeweiligen Machthaber zu stellen. So kann ein Gang über den Friedhof mit seiner Vielzahl an Grabsteinen aus verschiedensten Epochen Anstoß geben für die Reflexion individueller Schicksale im Kontext komplexer historischer Epochen und Ereignisse – immer mit Bezug auf die Ortsgeschichte von Herxheim.