Der persönliche Zugang zur Kulturgeschichte erfolgt häufig über die Menschen, die in der Vergangenheit an dem jeweiligen Schauplatz lebten. Umso mehr wir von einer historischen Persönlichkeit wissen, umso stärker können wir Bezugspunkte zum eigenen Leben knüpfen und uns mit den Personen und Objekten identifizieren und Inhalte annehmen. Wie aber werden historische Personen für uns greifbar, die vor Jahrhunderten lebten und von denen es weder Fotografien noch Videomaterial gibt? Vermutlich fällt es uns schwerer uns mit einer Person aus dem 14. Jahrhundert von einem Ölgemälde zu identifizieren, als mit einer Person aus dem 19. Jahrhundert, von der wir Fotografien und vielleicht Sprachaufnahmen besitzen.
Eine Möglichkeit bildet das sog. „Reenactment“, das möglichst authentische Nachstellen von Personen oder historischen Ereignissen. Diese Form der Wissensvermittlung ist schon sehr alt, wurde in Form von Schauspielen bereits in der Antike inszeniert, um Personen und Sachverhalte aus dem Bereich des Theoretischen in die Lebens- und Erfahrungswelt der Menschen zu bringen.

Historisches Beispiel von Reenactment: Auf dem Rembrandtfest in Amsterdam im Juli 1903 wurden Schützenumzüge nachgestellt, um die Zeit der „Nachtwache“ für die Menschen greifbarer zu machen (Bild: gemeinfrei)
In unserem Landesprojekt haben wir bereits in verschiedenen Teilprojekten mit Spielszenen (und zugegebenermaßen einer gewissen künstlerischen Freiheit und manchem Augenzwinkern) an historischen Personen angeknüpft, ohne dabei konkrete historische Ereignisse nachzustellen (beispielsweise die beiden mittelalterlichen Torwächter in Dausenau oder ein Video zur Kamillen-Traud in Kelberg).


Screenshots unserer Videoclips in Dausenau (Beulsturm) und Kelberg (Vorstellung des Traud-Wegs)
Ein schönes Beispiel bilden die Videoclips, die wir 2022 im Teilprojekt Bretzenheim in Gemeinschaftsarbeit mit dem kommunalen Team und Studierenden unserer Universität umgesetzt haben. Vier historische Personen werden dort in Szene gesetzt, um ihre Geschichte(n) zu erzählen: Der letzte Eremit von Bretzenheim Vater Abraham, gespielt von Ortsbürgermeister Olaf Budde, stellt die Felseneremitage vor. Björn Ritter spielt den Amtsmann Schweickhardt an der Villa Puricelli-Plettenberg, den Grafen von Velen am Schloss Bretzenheim und auch den Grafen Emich von Daun, an der Ruine des alten Schlosses.

Ein Student der Universität in Koblenz beim Dreh mit Björn Ritter (2022, Bild: Rainer Lanz-Wagner)
Letzteres Video möchten wir als unser Video des Monats September vorstellen, da Ritter den Grafen Emich von Daun, in Bretzenheim bekannt als der „fiese Emich“, mit Humor und einer wunderbaren Note selbstironischer Arroganz spielt. In der Videosequenz von gerade 1’45 Min. erfahren die Nutzer:innen wesentliche Informationen zu Emich von Daun, Graf zu Falkenstein: Dieser wurde im Jahre 1589 volljährig und erhielt von seinem Bruder die Herrschaft über Bretzenheim. Er entschloss sich ein Schloss als Residenz in Bretzenheim zu errichten. Rücksichtslos löste er die Beschaffung des notwendigen Baulandes mitten im Dorf auf seine Weise, griff radikal in die Eigentumsrechte Bretzenheimer Bürger, der Gemeinde und der Kirche ein. Sieben Wohnhäuser und das Bretzenheimer Rathaus mussten dem Schlossbau weichen, dazu eine Anzahl angrenzender Feldparzellen für einen drei Hektar großen Lustgarten. Was heute als kulturelles Erbe gilt, war das Ergebnis von Willkür und Ausbeutung – ein eher selten erwähnter Aspekt.
Im Teilprojekt Bretzenheim entstanden insgesamt 17 Objekte (Ortsbeitrag und 16 Unterobjekte aus verschiedenen Epochen), sieben Videoclips mit Personen und zwei Drohnenflugvideos. Im Ort selbst wurde zudem eine Geocaching-Tour installiert.