Feierliche Präsentation der Projektergebnisse zu „75 Jahre Rittersturzkonferenz in Koblenz“
Wie kann man ein Ereignis, das immer mehr in Vergessenheit gerät, an einem Ort, den es nicht mehr gibt, für die Öffentlichkeit attraktiv „wiederauferstehen“ lassen, die sich nur bedingt für ein Thema wie Verfassungsgeschichte interessiert? Vor dieser anspruchsvollen Aufgabe stand vor knapp einem Jahr eine Arbeitsgruppe, die sich auf Initiative von Dr. Margit Theis-Scholz, Kulturdezernentin der Stadt Koblenz, gebildet hatte, um verschiedenste Kompetenzen zu vereinen. Beteiligt waren u.a. das Stadt-, Landeshaupt- und Bundesarchiv, die Stadt- und Landesbibliothek, die Universität Koblenz mit der Geschichte und der Medienwissenschaft sowie die Koblenzer Schulen. Ziel war, einen digitalen Erinnerungsort für die historisch bedeutsame „Rittersturzkonferenz“ zu schaffen.



Teilnehmer:innen der Konferenz: Peter Altmeier, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Oberbürgermeisterin Louise Schroeder von Berlin und ein Blick über den Konferenztisch (1948, Quelle: Bundesarchiv).
Vor 75 Jahren trafen sich nämlich die Ministerpräsidenten der neun westdeutschen Bundesländer, die Bürgermeister von Hamburg und Bremen und die Oberbürgermeisterin von Berlin auf dem Rittersturz bei Koblenz. Ziel der zwei Tage dauernden Konferenz war die Einigung auf grundlegende Punkte für die Gründung eines Westdeutschen Staates. Kurz zuvor, am 1. Juli 1948, hatten die westlichen Siegermächte Vorgaben für eine Staatsgründung ausgehandelt und in den Frankfurter Dokumenten festgehalten. Das selbstbewusste Antwort der deutschen Seite düpierte die alliierten Siegermächte USA und Großbritannien, da die in Koblenz ausgearbeitete Konzeption des neuen Staates einen bewusst provisorischen Charakter besaß, um einer dauerhaften Teilung Deutschlands entgegenzuwirken. Allen Missstimmungen zum Trotz war die Rittersturzkonferenz ein Erfolg. Denn mit nur geringen Änderungen wurde kurz darauf das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland durch den Parlamentarischen Rat in Bonn verabschiedet – als Fundament für die Wiedervereinigung 40 Jahre später.

Die virtuelle 360-Grad-Rekonstruktion des Berghotel Rittersturz, erstellt von der agentur etcetera.
Um den Tagungsort, das in den 1970er Jahren abgerissene Berghotel, auferstehen zu lassen, wurde eine Rekonstruktion des Gebäudes in Auftrag gegeben und durch die agentur etcetera umgesetzt. Der Koblenzer Medienwissenschaftler apl. Prof. Dr. Stefan Meier fertigte eine multimediale Story mit dem Titel „Ein Provisorium mit Erfolgsgeschichte. Die Rittersturzkonferenz im Juli 1948“ an (verfügbar unter rittersturzkonferenz.de). Das „Scrollytelling“-Format bietet neben Textpassagen und Links auch umfassendes Bild-, Video- und Quellenmaterial der Archive an, darunter einen Videoclip von Mirko Drotschmann (MrWissen2go), Erläuterungen von Dr. Michael Feldkamp als Experten für bundesdeutsche Verfassungsgeschichte sowie didaktische Perspektiven vom Koblenzer Historiker und Lehrer Prof. Dr. Wolfgang Woelk. Zudem wurde mit Unterstützung des Stadtarchivs ein KuLaDig-Beitrag zum ehemaligen Hotel veröffentlicht, in dem die Geschichte des Hauses detailliert und anschaulich erläutert wird. Alle genannten Medien sind auch über die Mediengalerie des KuLaDig-Beitrags dauerhaft verfügbar.





Impressionen der feierlichen Präsentation im Alten Rathaussaal in Koblenz: Auftakt für weitere Projekte.
Am 17. Juli wurde im vollbesetzten Historischen Rathaussaal der Stadt Koblenz die Ergebnisse der Arbeitsgruppe der Öffentlichkeit vorgestellt – in Anwesenheit des Landtagspräsidenten, Hendrik Hering, der in seinem Grußwort nochmals die Bedeutung der Erinnerung an solche Orte und Ereignisse der Demokratiegeschichte hervorhob.

Landtagspräsident Hendrik Hering lobt in seinem Grußwort das Engagement der Koblenzer Arbeitsgruppe.
Florian Weber erläuterte die Beteiligung des Landesprojekts KuLaDig-RLP anhand des KuLaDig-Beitrags „Berghotel Rittersturz“, bevor Stefan Meier seine multimediale Story vorstellte. In einer Fragerunde konnten Schüler:innen zweier Koblenzer Gymnasien den anwesenden Expert:innen – u.a. neben dem Landtagspräsidenten und der Kulturdezernentin auch Prof. Dr. Michael Hollmann, Präsident des Bundesarchives, und Johannes Klomann von der Landeszentrale für politische Bildung – Fragen stellen oder eigene Sichtweisen formulieren.


Schüler:innen der beiden Koblenzer Gymnasien im Gespräch mit den Fachleuten und die Zeitzeugin Roswitha Verhülsdonk.
Emotional wurde die Schilderung der Zeitzeugin Roswitha Verhülsdonk mit ihren ganz persönlichen Erinnerungen an einen Todesfall während der Konferenz. Dr. Miriam Voigt, Transfer-Beauftragte an der Universität Koblenz, rundete die gelungene Veranstaltung ab mit der Vorstellung des Uni-Projekts „Koblenzer Demokratie-Orte“, einer digitalen Schnitzeljagd von und für junge Menschen. Musikalisch wurde der Abend durch Beiträge eines Flötentrios der Koblenzer Musikschule und durch die virtuose Santana Reinhardt am E-Piano begleitet.
Am Rande der Veranstaltung wurde in vielen Gesprächen deutlich, dass dieses Projekt nur der Auftakt gewesen sein sollte zur weiteren engagierten Zusammenarbeit der Koblenzer Institutionen, um die Geschichte(n) der Stadt, der Region und des Landes für die Öffentlichkeit wirksam aufzubereiten.
2 Gedanken zu “Verfassungsgeschichte digital auferstehen lassen”